Achtsamkeit im Sport …: Muss das sein?

Achtsamkeit ist in aller Munde. Mit Achtsamkeit sollst du besser durch den Tag kommen, gelassener, glücklicher, gesünder und erfolgreicher sein. Ganze Blogs, Kurse, Gruppen und Hashtags gibt es dazu.

Dieser Hype hat auch vor dem Leistungssport keinen Halt gemacht. Jeder spricht davon.

Aber: Braucht es das wirklich oder ist das einfach alter Wein in neuen Schläuchen?

Ich wollte es genauer wissen und bin für dich dieser Frage nachgegangen.

Schauen wir uns das also ein wenig genauer an.

Was ist Achtsamkeit?

Achtsam bist du dann, wenn du dich nur auf das konzentrierst, was jetzt in diesem Moment gerade passiert. Wenn du also den Augenblick im „Hier und Jetzt“ lebst, deine körperlichen Empfindungen sowie deine Emotionen wahrnimmst und akzeptierst, ohne sie zu bewerten.

Denke immer daran, dass es nur eine wichtige Zeit gibt: Heute. Hier. Jetzt. – Leo Tolstoi

Das ist es? Oder steckt da mehr dahinter?

Achtsamkeit vs. sportpsychologische Techniken

Sportpsychologische Techniken verfolgen das Ziel, dein Erregungsniveau zu steuern, um beispielsweise deinen optimalen Leistungszustand zu erreichen, dich zu entspannen oder auch um negative Emotionen loszuwerden und positive herbeizuführen.

Entspannungsverfahren wie z.B. das Autogene Training oder Meditation helfen dir dabei, in einen entspannten Zustand zu kommen.

Im Achtsamkeitstraining spielt Meditation auch eine Rolle. Die achtsame Meditation verfolgt jedoch nicht das Ziel der Aktivationsregulation wie im sportpsychologischen Training. Der Fokus des Achtsamkeitstrainings liegt auf der Eigenwahrnehmung mit dem Ziel, den Moment im „Hier und Jetzt“ mit allen Sinnen wahrzunehmen und sich darauf einzulassen.

Im Unterschied zum sportpsychologischen Training, bei dem Emotionen und Gedanken bewusst kontrolliert und reguliert werden, ist das Ziel des Achtsamkeitstrainings, Emotionen und Gedanken sowie den eigenen mentalen Zustand zu akzeptieren, ohne diesen zu werten.

Das ist nicht ganz einfach. Doch was noch viel wichtiger ist:

Was bringt das?

Achtsamkeit und Leistung

Die Achtsamkeit ist gerade ein großes Thema in der Sportpsychologie. Die Medien und Blogger haben das Thema schon vor einer ganzen Weile aufgegriffen:

Das Achtsamkeitstraining ist von den Sportpsychologen noch wenig erforscht. Es liegen lediglich wenige Studien und ein paar Annahmen zur Wirkung und zum Einfluss auf die Leistungsfähigkeit vor.

Es wird angenommen, dass durch das Training der Achtsamkeit im Leistungssport

  • das Flow-Erleben gefördert wird,
  • die Konzentrationsleistung verbessert wird und die Aufmerksamkeit besser gesteuert werden kann sowie
  • negative Emotionen und Gedanken besser reguliert werden können.

Achtsamkeit im Leistungssport

Nicht ganz überraschend taucht der Begriff das erste Mal in der meditativen Sportart Bogenschiessen auf.

Bereits 1948 erschien das Buch „Zen in der Kunst des Bogenschiessens“ von Eugen Herrigel. Timothy Gallwey verfolgte in seinem 1974 veröffentlichten Buch „The inner game of Tennis“ auch einen achtsamkeitsbasierten Ansatz.

Mein Kollege vom Bogenblog Jean von Oertzen hat sich dem Thema Achtsamkeit in seinem Podcast „Einfach hochsensibel“ Episode „Achtsamkeit Training“ gewidmet. Als Bogenschütze ist er natürlich ein ausgewiesener Experte für dieses Thema. Seinen hörenswerten Beitrag kannst du hier anhören.

1985 wurde Achtsamkeit im Leistungssport mit einer empirischen Studie bei US-amerikanischen College- und Olympiaruderern untersucht. Diese berichteten von erheblichen Leistungssteigerungen.

Da Achtsamkeit in aller Munde ist, sind auch einige Top-Athleten auf den Zug aufgesprungen. Der Tennisspieler Novak Djokovic, American-Football-Spieler Joe Namath und Borussia Dortmund haben das Achtsamkeitstraining in ihren Trainingsplan integriert. Auch Michael Jordan soll sich dem Achtsamkeitstraining gewidmet haben.

Wie trainiere ich Achtsamkeit im Leistungssport?

Eine der einfachsten Methoden, Achtsamkeit zu trainieren und deine Aufmerksamkeit auf den Moment zu lenken, ist in der Natur.

In der Natur kannst du aufatmen und diese auf dich wirken lassen.

Natur pur

Spaziere alleine durch den Wald, an einem Bach entlang oder an einen anderen Ort in der Natur, wo du dich wohl fühlst, und nimm dich und das, was um dich herum geschieht, mit allen Sinnen wahr.

Richte deine ganze Aufmerksamkeit auf diesen Moment.

Augen auf

Halte einen Moment inne und beobachte die Umgebung aufmerksam für zwei bis fünf Minuten – nimm alles, was in diesem Moment geschieht, wahr. Egal was passiert, ärgere dich nicht (werte nicht), beobachte, bleib ruhig und atme ruhig. Beobachte deine Umgebung ruhig und gelassen und achte darauf, dass deinem Auge und deiner Aufmerksamkeit nichts entgeht.

Ohren auf

Halte einen Moment inne, bleib auf deinem Spaziergang stehen. Schliesse deine Augen und höre zwei bis fünf Minuten deiner Umgebung zu. Höre den Geräuschen aufmerksam zu und versuche alles zu hören, was es an Lauten in deiner Umgebung gibt.

Bei diesen beiden Übungen wirst du Dinge in deiner Umgebung (und auch bei dir) wahrnehmen, die dir vorher noch nie aufgefallen sind. Damit wirst du auch in eine wohltuende Entspannung kommen, weil du diesen einen Moment mit Haut und Haaren lebst, ohne ihn zu werten.

Für den Leistungssport wurden zwei (MAC und MSPE) spezielle achtsamkeitsbasierte Trainingsprogramme entwickelt, die jedoch nicht über alle Zweifel erhaben sind. Mehr dazu findest du hier.

Eine Sammlung an einfachen Übungen, deine Achtsamkeit zu trainieren, gibt es hier.

Fazit

Achtsamkeit kann das Flowerleben fördern, deine Konzentration verbessern und dir helfen, deine Emotionen und Gedanken besser zu regulieren.

Und? Ist Achtsamkeit im Leistungssport nun etwas Neues oder eigentlich ein alter Hut?

Eine Innovation ist es definitiv nicht, sondern alter Wein in neuen Schläuchen, der in der Sportpsychologie schon lange in der einen oder anderen Form angewendet wird. Auch wenn es bisher nicht unter dem Begriff „Achtsamkeitstraining“ deklariert wurde.

Das sportpsychologische und mentale wie auch das Achtsamkeitstraining haben ein wichtiges, gemeinsames Ziel. Dieses bildet die Grundlage für Topleistungen:

Die Aufmerksamkeit und die Handlung auf das „Hier und Jetzt“ zu lenken und den Moment mit Haut und Haaren zu leben.

Nur wenn Kopf und Körper am gleichen Ort sind, kannst du Spitzenleistungen bringen.

Und es gibt noch eine Gemeinsamkeit: Beides musst du regelmässig trainieren, wie deinen Körper.

Der gewichtigste Unterschied: Im sportpsychologischen und mentalen Training wird das Erregungsniveau aktiv gesteuert. Im Achtsamkeitstraining ist ein ausgeglichenes Erregungsniveau eine Folge davon.

Was heisst das für dich?

Das Achtsamkeitstraining ist ein tolles Instrument, mit dem du deine Selbstwahrnehmung verbessern kannst. Den „alten Wein“ kannst du sehr gut in das sportpsychologische und mentale Training integrieren. Genau genommen ist es ein Teil davon.

Die Bogenschützen wissen schon lange, dass sich das Problem immer hinter der Sehne befindet. Deshalb trainieren sie Körper und Geist (Kopf).

Wie ist das bei dir?

Hast du schon begonnen, deinen Kopf zu trainieren?

Nutze deine Möglichkeiten!

Martin

PS: Ich bin übrigens der Meinung, dass mit mentaler Stärke alles ein wenig einfacher geht.
PPS: Und mit dem Unbewussten im Boot geht es noch besser.

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