Das Geheimnis guter Entscheidungen

Du bist hin- und hergerissen: Bleibe ich über Weihnachten hier? Oder gehe ich ins Trainingslager? Ich weiss nicht so recht. Hmm … Was soll ich nur tun, damit ich niemandem auf die Füsse trete und sportlich vorwärts komme?

Du machst dir eine Tabelle in dein blaues Notizbuch und gibst dir viel Mühe. In einer zeitaufwendigen Arbeit schreibst du alle Pros und Cons für die beiden Optionen nieder. Du bewertest und zählst die Punkte zusammen.

Das Ergebnis ist nicht wirklich eindeutig. Und jetzt? Die mühevoll erstellte Liste in deinem blauen Notizbuch bringt dich der Lösung keinen Schritt näher.

Du fragst dich: Soll ich eine Münze werfen? Nein, das kann auch nicht die Lösung sein. Kann nicht ein anderer für mich entscheiden? Dann bin ich fein raus. Was meinst du?

Nein! Jeder entscheidet für sich selbst!

Familie oder Trainingslager?

Eine Entscheidung für ist auch immer eine Entscheidung gegen etwas. Doch was passiert überhaupt bei einer Entscheidung in deinem Kopf?

Immer dann, wenn eine Entscheidung bevorsteht, entstehen in deinem Gehirn Vorstellungsbilder von möglichen Szenarien und ihren Folgen.

Bleibe ich zu Hause …
… kann ich Zeit mit meiner Familie verbringen und feiern.
… muss ich alleine trainieren.

Gehe ich ins Trainingslager …
… profitiere ich von guten Trainings und der Unterstützung vom Trainer.
… kann ich weniger Party machen.

Diese Szenarien laufen blitzschnell ab, ohne dass dir das bewusst sein muss.

Jede Erfahrung hat eine Bewertung

Der Hirnforscher Gerhard Roth geht davon aus, dass all deine Erfahrungen im emotionalen Erfahrungsgedächtnis gespeichert sind. Mit diesem riesigen Erfahrungsspeicher arbeitet dein Unbewusstes.

Jede deiner Erfahrungen ist mit einer Bewertung im emotionalen Erfahrungsgedächtnis abgelegt. Sie werden nach einem einfachen Prinzip bewertet:

  • Die Erfahrung war gut für dich, dann wird sie mit einer positiven Emotion (Affekt) in deinem „Belohnungssystem“ gespeichert.
  • War es eine schlechte Erfahrung, hinterlässt sie eine negative Emotion im „Angstsystem“.

Die Rückmeldung geschieht aufgrund deiner gemachten Erfahrungen. Sobald du wieder in eine vergleichbare Situation kommst, meldet sich dein Unbewusstes blitzschnell. Es sendet dir diffuse Signale.

Der Neurowissenschaftler Antonio Damasio nennt diese Signale „somatische Marker“ („Soma“ ist Griechisch für „Körper“).

Wenn ein vergleichbares Szenario das letzte Mal einen schlechten Ausgang hatte (Familienkrach an Weihnachten), gibt das ein unangenehmes Körpergefühl (Klumpen im Bauch, Kloss im Hals). Das heisst, das muss vermieden werden (stop).

War das Ergebnis für dich ein Erfolg (Spass im Trainingslager), wird das mit einem guten Körpergefühl quittiert (go). Das heisst, du kannst das wieder tun.

Emotionen für gute Entscheidungen

Mit deinem Verstand hast du dir eine schöne Tabelle in deinem blauen Notizbuch gemacht. Du hast die Optionen „Trainingslager“ vs. „Weihnachten zu Hause“ mit einem Kriterienkatalog rational bewertet. Mit diesem Vorgehen bist du nicht zu einen befriedigenden Ergebnis gekommen.

In Entscheidungssituationen sind zwei Systeme beteiligt. Dein Verstand und dein Unbewusstes. Diese arbeiten ganz unterschiedlich.

Verstand

Dein Verstand arbeitet langsam, Schritt für Schritt, und bewertet eine Situation danach, ob sie richtig oder falsch ist. Triffst du eine Entscheidung mit dem Verstand, kannst du sehr gut und logisch begründen, warum du so entschieden hast und die Konsequenzen für die Zukunft abschätzen. Bis dein Verstand zu einer Entscheidung gekommen ist, braucht er ein wenig Zeit. Denn er arbeitet langsam.

Unter optimalen Bedingungen arbeitet er einwandfrei. Er ist jedoch sehr empfindlich für Störungen und fehleranfällig. Deshalb kommt dein Verstand schnell an seine Grenzen. Vor allem wenn du gestresst, genervt, hungrig, müde oder überfordert bist.

Unbewusstes

Dein Unbewusstes kann gleichzeitig viele Informationen verarbeiten und bewertet eine Situation aufgrund deiner Erfahrungen nach einem anderen und einfachen Prinzip: „mag ich“ oder „mag ich nicht“. Denn es lebt den Moment (im Hier und Jetzt) und verfolgt nur ein Ziel: psychisches Wohlbefinden.

Seine Bewertung kommuniziert das Unbewusste blitzschnell in Form von diffusen Körpersignalen oder Emotionen.

Somatische Marker sind das Signalsystem von deinem Unbewussten und wichtig für Entscheidungssituationen.

Wie du diese wahrnimmst, ist völlig egal. Entscheidend ist, dass du sie wahrnimmst und beachtest!

Für gute Entscheidungen sind Emotionen und Körpersignale essenziell!

Das Unbewusste muss ins Boot!

Spass oder Zwang?

Wenn Dein Unbewusstes etwas gerne und freiwillig tut, nennen die Psychologen das Selbstregulation. Das ist das Höchste, weil es Spass und Freude macht. Wer geht nicht gerne auf Angenehmes zu und tut das, was ihn begeistert?

Gegen Situationen, die dein Unbewusstes nicht mag, sträubt es sich dagegen vehement. Ein Besuch beim Frauen- oder Zahnarzt oder ein ungeliebtes Training ist alles andere als angenehm. Das muss vermieden werden!

Mit dem Verstand kannst du dein Unbewusstes „disziplinieren“ und zu etwas zwingen, das es eigentlich gar nicht will. Das nennt man Selbstkontrolle.

Du entscheidest oft gegen deine innere Überzeugung und bist damit unglücklich? Gut möglich, dass du dich nicht wahrnimmst. Vielleicht hast du auch das Gefühl, das tun zu müssen, was die anderen von dir erwarten?

Manchmal ist Selbstkontrolle sinnvoll. Es braucht ärztliche Vorsorge. Und du wirst dich immer wieder einmal für ein ungeliebtes Training oder eine Aufgabe „disziplinieren“ müssen. Selbstkontrolle ist jedoch eine suboptimale Form von Selbstmanagement. Insbesondere für langfristige Ziele ist sie in höchstem Masse ungeeignet. Darum solltest du sie sehr sparsam einsetzen.

Wenn du dich regelmässig für Dinge entscheidest, gegen die sich dein Unbewusstes sträubt, dann führt das zu Frustration, Unzufriedenheit und sogar Leistungseinbussen. Im schlimmsten Fall macht es dich krank.

Eine gute Entscheidung treffen

Du weisst jetzt, dass du mit Verstand und dem emotionalen Erfahrungsgedächtnis zwei Systeme hast, die du für Entscheidungssituationen einsetzen kannst. Doch was ist besser?

Kopf- oder Bauchentscheid?

Weder noch.

Der Verstand kann analysieren, abwägen und Konsequenzen für die Zukunft abschätzen.

Das emotionale Erfahrungsgedächtnis (das Unbewusste) kennt deine Bedürfnisse und Wünsche.

Darum sind gute Entscheidungen solche Entscheidungen, bei denen du die Vorteile von Verstand und Unbewusstem nutzt und diese miteinander koordinierst. Also Entscheidungen, bei denen das Unbewusste im Boot ist.

Bei guten Entscheidungen kommen der Verstand und das Unbewusste zum gleichen Ergebnis. Wenn diese synchronisiert sind, dann entsteht die Kraft aus dem Selbst. Das macht dich selbstsicher.

Der Weg zu einer guten Entscheidung

Ich möchte dir an einem Beispiel zeigen, wie du das Unbewusste ins Boot bekommen kannst.

1. Situationen aufschreiben

Notiere dir die Entscheidungsalternativen auf einem Blatt Papier:

  • Zu Hause bleiben, alleine trainieren und Weihnachten mit Familie verbringen
  • Mit dem Team ins Trainingslager gehen

2. Optionen bewerten

Die Affektbilanz ist ein einfaches Instrument, mit dem du die Bewertung deines Unbewussten abfragen kannst.

Du erinnerst dich:

Gute Erfahrungen = mag ich = gutes Körpergefühl/Emotion (Affekt)

Schlechte Erfahrung = mag ich nicht = schlechtes Körpergefühl/Emotion (Affekt)

Affektbilanz

Die Minus-Skala steht für negativen Affekt und die Plus-Skala für positiven Affekt. Zeichne dir deine eigene „Affektbilanz“ (wenn du magst, auch mit den Strichmännchen).

Danach bewertest du die Situation nach deinem Gefühl und dessen Stärke. Mache ein Kreuz auf der rechten Seite für den positiven Affekt und auf der linken für den negativen Affekt.

Wie schaut das aus?

3. Analysiere das Ergebnis

Mit dem Verstand schaust du dann, woher diese Gefühle und die Bewertung aus dem Unbewussten kommen. Lass mich das exemplarisch für die Variante „Trainingslager“ machen.

Positiv – Stärke 80

  • Ich bin mit meinen Teamkollegen zusammen
  • Ich habe gute Betreuung von meinem Trainer
  • Ich liebe Trainingslager und meinen Sport

Negativ – Stärke 40

  • Meine Eltern werden wieder sauer sein, wenn ich an Weihnachten nicht zu Hause bin
  • Ich sehe meinen Freund nicht
  • Es sind immer noch Spannungen im Team wegen meinem letzten „Bitch-Fight“ da

Es kann auch passieren, dass ein einzelner Punkt für einen Grossteil vom schlechten Gefühl verantwortlich ist.

Du kannst dir jetzt überlegen, wie du das schlechte Gefühl loswerden kannst, damit du eine gute Entscheidung treffen kannst.

Beispielsweise wenn du mit deinen Eltern und deinem Freund vor dem Trainingslager etwas Spezielles unternimmst und ihnen in dieser Zeit deine ganze Aufmerksamkeit schenkst.

Wie stark würde sich der negative Affekt verringern?

4. Entscheide dich

Nachdem du alle Varianten bewertet und analysiert hast, bleibt dir noch der letzte Schritt.

Die Entscheidung.

Wenn dein Verstand die Variante „Trainingslager“ gut findet und  das Gefühl auch passt, dann hast du das Unbewusste im Boot. Verstand und Unbewusstes bewerten die Situation identisch und kommen zum selben Ergebnis.

Das geht nicht immer von heute auf morgen. Manchmal braucht es mehrere Rückmeldeschleifen zwischen dem Verstand und dem Unbewussten, bis sie koordiniert sind. Dann hast du eine gute Entscheidung getroffen.

Deine Erfahrung ist entscheidend

Du kannst immer nur aufgrund deiner Erfahrungen Entscheidungen treffen! Mit jeder Entscheidung, die du triffst, wirst du selbstsicherer. Es ist normal, dass du auch Entscheidungen triffst, die sich im Nachhinein als nicht optimal erweisen.

Dann korrigierst du und richtest dich neu aus.

Es macht wenig Sinn zu sagen: Wenn ich das damals schon gewusst hätte, dann …

Du kannst immer nur aufgrund deiner im Moment verfügbaren Erfahrungen entscheiden. Bist du unsicher, darfst du andere nach einer Meinung fragen.

Die Entscheidung triffst du immer selbst!

Fazit

Es ist von grosser Bedeutung, dass du deine Bedürfnisse und deine Körpersignale wahrnimmst.

Vielleicht musst du in neuen Situationen zuerst Erfahrungen sammeln und daraus lernen. Manchmal braucht es Zeit, Unbewusstes und Verstand aufeinander abzustimmen.

Nimm dir diese Zeit. Gehe sparsam mit „Selbstkontrolle“ um und setze diese ein, wo es notwendig ist. Aber nicht mehr.

Wenn das Unbewusste im Boot ist und du selbst entscheidest, was gut für dich ist, wirst du mit Spass und Begeisterung bei der Sache sein.

Weil du für dich die richtigen Entscheidungen getroffen hast.

Die Dinge, die man falsch gemacht hat, bereut man nicht so sehr wie die, die man erst gar nicht versucht hat. – Unbekannt

Auf welche deiner Entscheidungen bist du heute besonders stolz? Hinterlasse mir diese als Kommentar.

Nutze deine Möglichkeiten!

Martin

PS: Ich bin übrigens der Meinung, dass mit dem Unbewussten im Boot alles ein wenig einfacher geht.

 

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