Emotionen im Sport: Wie Emotionen deine Leistung beeinflussen

Emotionale Ausbrüche gehören zum Sport wie das Amen in der Kirche. Doch nicht alle davon sind zum Vorteil des Athleten.

Zinedine Zidane musste das bei der WM 2006 schmerzlich erfahren. Er hatte seine Emotionen nicht im Griff. Zu seinem Vorteil war das definitiv nicht.

Was ist passiert? Schau dir die Filmsequenz an, bevor du weiterliest.

Was sind Emotionen?

Emotionen sind Impulse (Affekte), welche durch die Bewertung eines Sinneseindrucks ausgelöst werden. Sie sind abhängig von deinen Erfahrungen.

Emotionen haben zwei Funktionen:

  1. Sinneseindrücke zu bewerten (mehr dazu hier)
  2. Dich anzutreiben

Die Aussage (Sinneseindruck) von seinem Gegenspieler Materazzi hat Zinedine Zidane („Zizou“) dazu angetrieben, diesen mit einem Kopfstoss niederzustrecken. Der Trash Talk hat seine Wirkung offenbar nicht verfehlt. Materazzi sagte später, dass er die Schweser von „Zizou“ als Nutte bezeichnet habe.

„Zizou“ ist in den Banlieues von Marseille aufgewachsen. Dort mag dieses Verhalten eine nützliche Überlebensstrategie sein. Auf dem Fussballplatz hat dieses unnütze und unnötige Verhalten jedoch nichts verloren.

Was dieses Beispiel sehr gut zeigt: Es gibt Situationen, die emotionale Reaktionen auslösen können, die ihren Ursprung in der Vergangenheit haben und jetzt nicht mehr nützlich sind. In diesem Fall müssen wir Neues lernen und uns durch Selbstmanagementtraining persönlich weiterentwickeln.

Unterschied Emotion (Affekt) und Gefühl

Einen heftigen, kurzen Impuls nennen die Psychologen Emotion oder Affekt. Das sind dir noch unbewusste Körperprozesse, die aufgrund von deinen Erfahrungen eine Reaktion auslösen. Wenn du beispielsweise eine Schlange siehst, bekommst du Angst. Dein Atem und dein Puls werden schneller und deinem Körper wird Energie für die Flucht bereitgestellt.

Im Gegensatz dazu ist ein Gefühl eine Emotion mit einer subjektiven und bewussten Bewertung. Du bist beispielsweise wütend und enttäuscht, weil du von deinem Freund oder deiner Freundin versetzt worden bist.

Basisemotionen

Der US-amerikanische Psychologe Paul Ekman unterscheidet sechs (angeborene) Basisemotionen, die in allen Kulturen anzutreffen sind. Abhängig von der Quelle kommt noch eine siebte, die Verachtung dazu.

  • Wut (Angriff, Zerstörung)
  • Trauer (Verlust, Enttäuschung)
  • Freude (Annäherung, Leistung)
  • Angst (Schutz, Flucht)
  • Ekel (Schutz, Gesundheit)
  • Überraschung (Orientierung)

Diese können sehr gut über den Gesichtsausdruck identifiziert werden.

Emotionen und Leistung

Dass deine Emotionen deine Leistung beeinflussen, ist kein Geheimnis.

Emotionen sind das Zünglein an der Waage, wenn es darum geht, am Tag X dein optimales Leistungsniveau abzurufen.

Negative Emotionen sind dabei genauso hinderlich wie eine grosse Euphorie/Übererregung, weil sie dein Erregungsniveau negativ beeinflussen.

Stell dir vor, du bist Tennisspieler. Du spielst einen herausragenden Punkt, der dich und die Zuschauer vor Begeisterung aus den Socken haut. Du bist so begeistert und euphorisch, dass dir der Schlag für die „Galerie“ gelungen ist. Und was passiert? Weil du immer noch auf Wolke 7 schwebst, verlierst du die nächsten Spiele ohne Punktgewinn. Du bist nicht mehr da, wo du sein solltest: im Spiel.

Das Gleiche passiert, wenn du deine negativen Emotionen nicht in den Griff bekommst. Wenn du nach einem verpatzten Schlag noch lange nachdenkst, warum das passieren konnte … ist das Spiel gelaufen.

Umgang mit negativen Emotionen

Es wird immer wieder erzählt, dass Angst und Wut zu Höchstleistungen anspornen können. Ich sehe das etwas anders. In der Realität sind diese Emotionen eher hinderlich als förderlich. Klar gibt es Ausnahmen.

Auch die Tigerline im Golf, ein riskanter Schlag, bei dem der kürzeste Weg gewählt wird, funktioniert sehr gut … wenn er denn einmal passt. Das kommt jedoch nicht so häufig vor. Die konservative Variante ist meistens erfolgreicher.

Ich würde mich nicht auf die Ausnahme verlassen! Selbst wenn sie verlockend sind und sich in deiner Galerie gut machen. Wie oft gelingen sie dir?

Akzeptiere negative Emotionen

Negative Emotionen sind etwas Schlechtes. Die musst du so schnell wie möglich wieder loswerden. Wirklich?

Negative Gedanken sind allgegenwärtig:

  • Du zweifelst an deinen Fähigkeiten (die anderen sind besser).
  • Du hängst Misserfolgen nach.
  • Du hast Angst vor deinem Gegner.
  • Etc.

Was passiert, wenn diese Gedanken kommen? Genau, die negativen Emotionen bekommst du im Package mitgeliefert: Wut, Enttäuschung über dich selbst.

Beantworte dir selbst diese Fragen:

  • Wo ist dein Fokus, wenn du von negativen Emotionen dominiert wirst?
  • Wie wirkt sich das auf dein Selbstvertrauen aus?

Genau da liegt der Knackpunkt.

Du bist nur noch damit beschäftigt, deine negativen Emotionen loszuwerden. Wenn du das erste Game verloren hast, die erste Disziplin versiebt hast oder mit einem Schiedsrichterentscheid haderst, hilft dir das nicht. Dein Fokus und dein Selbstvertrauen sind weg. Ist das förderlich für deine Leistung? Wohl kaum.

Aushalten, bewusst machen, akzeptieren, zielen

Wie bitte? Ich erkläre es dir.

A = aushalten

Vor negativen Emotionen zu flüchten, macht oft keinen Sinn. Halte die negative Emotion aus. Auch wenn es im Moment unangenehm ist.

B = bewusst machen

Mache dir deine negativen Gedanken und Emotionen bewusst.
„Ja, ich bin verärgert über den Schiedsrichterentscheid/ den schlechten Auftakt“

A = akzeptieren

Akzeptiere diese Emotionen. Sie sind da.
„Ich bin verärgert. Das ist o.k.“

Z = zielen

Jetzt zielst du! Du fokussierst dich wieder auf dein Ziel und deine Aufgabe.

Die Annäherung an das Ziel und der Fokus auf die Aufgabe machen dich wieder handlungsfähig. Es bringt dich deinem Ziel näher als das Vermeiden von negativen Emotionen.

Wenn das Ziel der nächste Punktgewinn ist, kannst du dir auch eine geniale Frage stellen und beantworten:

„Kann ich es schaffen, den nächsten Punkt zu gewinnen? Ja, ich kann es schaffen!“

Damit hast du deinen Fokus wieder bei der Aufgabe. Mit der Frage Kann ich es schaffen?“ wird Motivation erzeugt und dein Unbewusstes angesprochen.

Ein positiver Nebeneffekt, der dabei entsteht: Deine Stimmung regulierst du damit in die gewünschte Richtung.

Tennisspieler (und alle anderen Athleten), die ihre Emotionen akzeptieren und sich auf das Ziel und die Aufgabe fokussieren, kommen auch nach zig verlorenen Spielen wieder in das Match zurück.

Im Wettkampf gehst du fehlerverzeihend mit dir um!

Freude motiviert

Schau dir noch einmal die Basisemotionen an. Was fällt dir dabei auf?

Bei Freude steht: Annäherung und Leistung.

Mit Freude kannst du dich (und andere) am besten motivieren, supergut lernen und deine Leistung abrufen, wenn es zählt. Schauen wir doch, was für Arten von Freude es gibt.

Vorfreude

Die kennst du bestimmt. Die Vorfreude auf einen grossen Wettkampf, schöne Ferien oder was auch immer lässt dein Herz tanzen. In deinem Gehirn wird bei Vorfreude Dopamin (ein Botenstoff in deinem Nervensystem) ausgeschüttet. Das führt dazu, dass du dich gut fühlst und ein Ziel für dich erstrebenswert wird.

Dopamin ist einfach ausgedrückt das „Rüebli“, das man dir vor die Nase hält.

Nachfreude

Die Freude nach einem gelungenen Wettkampf macht dich „high“. In deinem Nervensystem werden Endorphine (ein Opiat, „Droge“) ausgeschüttet. Dies lässt dich ein Glücksgefühl erleben und kann dich euphorisch machen.

Bindungsfreude

Wenn wir mit Personen zusammen sind, die wir gerne haben, entsteht die Bindungsfreude. Auch dann passiert etwas Tolles in deinem Gehirn: Der Botenstoff Oxytocin wird ausgeschüttet. Dieser stärkt die Freundschaft und lässt dich in guter Gesellschaft Freude erleben.

Euphorie ist schlecht

Ich weiss, mit dieser Aussage stehe ich quer in der Landschaft. Wenn es absolut betrachtet wird.

Wirst du bei einem Wettkampf euphorisch, gibt dir das einerseits ein super Gefühl, andererseits führt es dazu, dass dein Fokus in die falsche Richtung geht.

Du beschäftigst dich damit, dieses euphorische Gefühl nicht zu verlieren. Du erinnerst dich: Wenn du nur damit beschäftigt bist, negative Emotionen loszuwerden, verlierst du den Fokus und das Ziel aus den Augen. Bei der Euphorie ist das sehr ähnlich.

Und wo sollte dein Fokus sein?

Die Frage kannst du jetzt einfach beantworten.

Fazit

Emotionen haben einen erheblichen Einfluss auf deine Leistung und sie sind wichtig für dein Selbstmanagement.

Gib Emotionen Raum, mache sie dir bewusst, akzeptiere sie und lerne, damit umzugehen.

Je besser du deine Emotionen wahrnimmst und sie regulieren kannst, desto besser wird deine Leistung im und ausserhalb des Wettkampfes. Dann kannst du am Tag X aus dem Vollen schöpfen!

Eines der Geheimnisse für Top-Leistungen ist die (Vor-)Freude! Diese motiviert und bringt dich mit einer guten Emotion (freudig) an den Start.

Nutze deine Möglichkeiten!

Martin

PS: Ich bin übrigens der Meinung, dass mit Freude alles ein wenig leichter geht.

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