Was zum Teufel ist falsch mit meinem Fokus?

Wäre ich doch nur fokussierter! Dann würde ich mich nicht so schnell ablenken lassen.

Ist dir schon einmal aufgefallen, wie klar du gewissermaßen „einer Linie folgen“ kannst, wenn es einmal nicht rund läuft? An den Tagen, an denen eines das andere gibt und dein Fokus komplett in die falsche Richtung geht?

Der übermächtige Gegner zieht schon vor dem Start deine ganze Aufmerksamkeit auf sich. Oder du merkst beim Einlaufen, dass der Bewegungsablauf und das Timing überhaupt nicht passen.

In dem Moment agierst du wie Scrat, das niedliche Säbelzahn-Eichhörnchen von Ice Age, das nur noch einen Fokus hat.

Die Idee mit Scrat habe ich bei Karin Wess geklaut.

Es ist schon fast legendär, wie besessen Scrat hinter seiner Eichel her ist und versucht, ein passendes Versteck zu finden. Völlig verzweifelt und mit seiner ganzen Energie hetzt er seiner Eichel hinterher. Und er rennt von einem „Schlamassel“ ins Nächste. Dabei ist es ihm egal, was er mit seinem Verhalten auslöst. Selbst wenn dabei die Welt untergeht.

Kennst du das?

Du fokussierst dich noch mehr auf das, was nicht funktioniert, und du willst es unbedingt besser machen. Dabei verrennst du dich komplett. Deine Stimmung neigt sich immer mehr dem Nullpunkt zu.

Wie wirkt sich das auf deinen Wettkampf aus? Genau, nur negativ.

Falscher Fokus

Der falsche Fokus kann tödlich sein. Im Wettkampf gibt es nebst der erwähnten Situation noch andere Dinge, die dich beeinflussen und den Fokus auf sich ziehen können. Dein Smartphone, soziale Medien wie Facebook und Twitter, Diskussionen mit deinem Trainer, Kollegen, Trainingspartner oder einfach Gerüchte, Zuschauer, Materialprobleme, Wetterbedingungen oder von Gegnern und Teamkollegen erzielte Zeiten.

Wenn du dich zu sehr auf diese Nebensächlichkeiten oder Defizite fokussierst, dann wird dein Fokus zum Problem!

Vor allem, wenn du dich nicht davon und von der damit verbundenen negativen Stimmung lösen kannst.

Hinterher sagst du dann …

  • Ich bin nicht bereit gewesen.
  • Ich konnte mich nicht richtig auf den Wettkampf einstellen.
  • Ich war zu wenig fokussiert (nicht zu wenig, aber auf das Falsche)
  • etc.

Klingt gut. Nicht? Ich glaube, es gibt jedoch bessere Varianten.

Fokussiere dich auf das Wesentliche und deine Ressourcen.

Aber wie?

Zu viel gewollt

Je mehr du etwas willst, desto grösser wird deine Handlungshemmung und deine Aussicht auf Misserfolg.

Häää … spinnt der?

O.k., ich kann deinen Einwand verstehen. Du gehst davon aus, dass du mit Willenskraft alles erreichen kannst. Da möchte ich dir widersprechen.

Willenskraft ist ein Verstandeskonzept, mit dem du deine Energiereserven schnell aufgebraucht hast. Mit reiner Selbstkontrolle wird das nichts.

Ein Beispiel gefällig?

Ich gehe ganz gerne zu Nachwuchswettkämpfen und beobachte Athleten.

Letzten Sommer beobachtete ich einen mir unbekannten Hochspringer bei seiner Wettkampfvorbereitung und dem Warmspringen. Das Warmspringen dient zur Abstimmung des Anlaufes (Timing) und sollte im Idealfall ein gutes Gefühl für den bevorstehenden Wettkampf vermitteln.

Schon bei seinen ersten Versuchen haderte er mit dem Anlauf, dem Timing und mit sich selbst. Nach dem gefühlten zehnten Sprung brach er die Übung ohne einen gelungenen Versuch ab. Der Junge tat mir ein wenig leid. Vor allem weil er sich in etwas hineinsteigerte und seine Stimmung bei jedem weiteren Fehlversuch schlechter wurde.

Mangelnde Willenskraft war für mich nicht auszumachen. Im Gegenteil, er versuchte es immer wieder. Mit einer unglaublichen Willenskraft wollte er den Erfolg mit der Brechstange erzwingen.

Als er ein imaginäres Messer in die Hand genommen hat und gegenüber einem Betreuer ein symbolisches Harakiri vollzog, wusste jeder, der diesem Schauspiel beiwohnte, dass der Wettkampf für ihn gelaufen war, bevor es richtig losging.

Selbstredend hat der junge Athlet die Anfangshöhe drei Mal gerissen. Noch auf der Matte zerriss er sein Wettkampfshirt. Danach flüchtete er mit hochrotem Kopf in den angrenzenden Wald und liess seinem Frust freien Lauf.

Gelassen den Moment leben

Noch mehr zu fokussieren, bringt dir also nichts. Es gibt ein anderes Geheimnis. Gelassen werden! Wenn du in einer gelassenen und entspannten Stimmung bist, bekommst du wieder Zugang zu deinen Ressourcen.

Mit dem gezielten Einsatz deiner Atmung, von Selbstgesprächen und deinem Körper kannst du deine Stimmung auf eine einfache Weise regulieren.

Bei mir hat das immer sehr gut funktioniert. Und es hat mir geholfen, meine Emotionen zu stabilisieren.

Beruhigungsatmen

Achte darauf, dass du eine aufrechte für dich bequeme Haltung einnimmst – so wie ein gut gelaunter Sieger. Atme durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus. Richte deine Aufmerksamkeit auf die Bauchatmung. Wenn die Bauchatmung noch ungewohnt ist, kannst du es zuerst im Liegen versuchen. Da kannst du die Bauchatmung am besten beobachten und fühlen. Dein Bauch wölbt sich und sackt wieder zusammen.

Nach dem Einatmen machst du eine kurze Pause und atmest danach langsam und lange durch den Mund aus, bis keine Luft mehr in deiner Lunge ist. Dein Fokus richtet sich dabei auf das Ausatmen. Wiederhole das 5 bis 10 Mal. Schon nach wenigen Atemzügen wirst du bemerken, wie dein Herzschlag ruhiger und du gelassener wirst.

Mit dieser Übung gehst du bewusst aus der Situation heraus. Danach darfst du dich wieder aktivieren und einen neuen Anlauf wagen.

Lebe den Moment

Die Vergangenheit spielt in einem Wettkampf und in der Wettkampfvorbereitung keine Rolle. Es zählt einzig und alleine der Moment. Ein misslungener Versuch hat für die nächste Aktion keine Bedeutung. Die Wiese ist wieder genauso grün wie vorher.

Diesen Moment kannst du sehr gut mit positiven Selbstgesprächen unterstützen. „Vergiss den letzten Versuch und lebe den Moment“ oder „Ich hake die Vergangenheit ab und fokussiere mich auf den nächsten Versuch.“

Formuliere deine Aussagen immer als Annäherungsziel. Beschreibe also, was du erreichen willst.

Nutze deinen Körper

Dein Körper steht dir immer zur Verfügung. Du kannst ihn gezielt einsetzen, um aus einer negativen Stimmung zu kommen oder eine positive Stimmung beizubehalten.

Laufe stolz wie Oskar herum oder nimm die Körperhaltung eines Siegers an, wenn es einmal nicht nach Wunsch läuft. Erinnerst du dich an dein letztes Erfolgserlebnis? Was für eine Körperhaltung gehört dazu? Gehe bewusst in diese Haltung und nimm wahr, wie sich deine Stimmung verändert!

Mit einem passenden Embodiment kannst du dich immer wieder in deine gewünschte Stimmung bringen.

Das sind alles Übungen, mit denen du dein Unbewusstes wieder ins Boot holst. Das Unbewusste lebt den Moment im „Hier und Jetzt“ und hat nur ein Ziel: psychisches Wohlbefinden.

Wenn du dich wohlfühlst und es dir gut geht, dann bist du leistungsfähig.

Fazit

Tage, an denen es nicht rund läuft, wirst du immer wieder erleben. Du kannst dich dem hingeben, dich selbst bemitleiden, selbst fertigmachen und den Fokus auf das Problem richten.

Clever scheint mir das nicht.

Wenn du bemerkst, dass du in dieses Fahrwasser kommst, gehst du bewusst aus der Situation raus und unterbrichst dein Muster. Dann beginnst du wieder auf der grünen Wiese mit einer positiven und leistungsfördernden Stimmung.

Du kannst es! Vor allem, wenn du dich auf deine Ressourcen fokussierst!

Nutze deine Möglichkeiten!

Martin

PS: Ich bin übrigens der Meinung, dass mit dem Unbewussten im Boot alles einfacher geht.
PPS: Und wenn du dir vertraust, dann hast du mehr als die halbe Miete.

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