Manchmal gewinnst du, manchmal verlierst du.
In seinem legendären Song „The winner takes it all“ singen ABBA:
„The winner takes it all, the loser’s standing small…“
Es gibt einige Sportler, die sich diesen Slogan zu eigen machten. Im Positiven wie auch im Negativen.
Einer davon ist der Tennispieler Nick Kyrgios.
Er hat einige Gemeinsamkeiten mit Roger Federer:
- Beiden wird viel Talent attestiert.
- Beiden wurde eine grosse Zukunft vorausgesagt.
- Beide haben als Junior Wimbledon gewonnen.
- Beide zertrümmer(te)n Rackets.
- Beide zeigen ihre Emotionen.
- Beide fielen durch ihre Unzufriedenheit auf dem Platz auf.
Einen gewichtigen Unterschied gibt es jedoch in ihrer persönlichen Entwicklung.
Wie ein Kleinkind
Nick Kyrgios kommt mir in vielen Situationen vor wie ein Kleinkind.
Ich kann mir gut vorstellen, dass er nie lernen musste, seine Bedürfnisse zurückzustecken, eine Belohnung aufzuschieben, und damit auch nie die Gelegenheit bekam, sich einmal in Selbstkontrolle zu üben.
Sein Selbstmanagement und seine Emotionskontrolle bewegen sich deshalb nicht gerade auf dem Niveau von einem Erwachsenen.
Und genauso verhält er sich auch dem Platz: Nimmt man ihm sein Spielzeug weg, „täubelet“ er, bis alle nachgeben und ihn gewähren lassen.
Ich, ich, ich
Nick Kyrigios first.
Mit seinem übertriebenen Selbstvertrauen und seiner selbstverliebten, narzisstischen Ader – schliesslich ist er ein ausgesprochen talentierter Spieler und ein Star – manövriert er sich selber ins Abseits.
Bescheidenheit? Das kennt er nicht. So twitterte er vor seinem überraschenden Sieg gegen Rafael Nadal in Wimbledon 2014: “stolzen griechisch-malaysisch-australischen Tennisprofi aus Canberra, ehemalige Nummer eins der Junioren und jetzt auf dem Weg, die ATP-Tour zu erobern”
Sein unangepasstes Verhalten und seine mentalen Aussetzer haben die Runde gemacht.
Ein „Highlight der negativen Sorte“ war sein Auftritt bei den Shanghai Masters 2016, als er wegen seinem unmotivierten und respektlosen Verhalten mit $16’500 gebüsst wurde.
Nachträglich wurden ihm weitere $25’000 Busse sowie eine Sperre aufgebrummt. Bei einer sportpsychologischen Therapie hätte die ATP von einer Sperre abgesehen.
Talent und ein paar Vorschusslorbeeren machen noch keinen herausragenden Tennisspieler.
Bei ihm ist das noch nicht angekommen.
Ein Underperformer
Gemessen an seinem Talent ist Nick ein Underperformer!
Warum?
Wie sich das auswirkt?
- Du zerschmetterst das Racket.
- Du beschimpfst dich selber.
- Du beschimpfst die Zaungäste.
- Du beschuldigst andere für deine Misere.
- Du schreist Schiedsrichter (und Balljungen) an.
- Du lässt Bälle passieren, die du problemlos spielen könntest.
Bei Nick kommt das häufig vor.
2017 bei den Miami Open war er kurz davor, Roger Federer aus dem Turnier zu werfen.
Bei 5:4 im Tiebreak haben ihm nur noch zwei Punkte für den Matchgewinn gefehlt. Und was macht er? Er bricht mental zusammen, weil ein rüpelhafter Fan „Out“ gerufen hat, als er zu seiner Vorhand ansetzte und diese ins Aus segelte.
Dass er sich darüber ärgerte, kann ich sehr gut verstehen. Was danach folgte, hingegen gar nicht.
Abhaken und weiter zum nächsten Punkt wäre die Lösung gewesen.
Was macht er? Er schreit den Rüpel an: „Shut up!“ – und gerät komplett ausser sich. Damit hat er sich sein Grab selber geschaufelt.
Seine negativen Emotionen konnte er nicht mehr herunterregulieren. Damit blieb er mental in der Vergangenheit hängen und konnte sich nicht mehr auf den nächsten Punkt fokussieren.
Das Spiel war gelaufen.
Roger Federer brachte es mit 7-6, 6-7, 7-6 nach Hause und feierte einen knappen Sieg.
Was tat Nick? Er schmetterte sein Racket mehrfach auf den Boden.
Talent vor die Hunde geworfen
Obwohl Nick Kyrgios ausgesprochen talentiert ist, ein gutes Schlagrepertoire hat und die Grossen besiegen kann, fehlt es ihm an der Einstellung (Attitude), mentaler Stärke, einer guten Emotionskontrolle und vor allem Selbstreflexion.
Offensichtlich musste er das nie lernen. Das ist die Gefahr, wenn es lange von alleine läuft.
Womöglich funktionierte das „Kleinkind“ Nick nur nach dem Lustprinzip.
Deshalb wird Nick mit grosser Wahrscheinlichkeit ein Underperformer bleiben.
In einer Beziehung überrascht mich das dennoch.
(Kein) Durchhaltevermögen
Der Sohn eines griechischen Vaters und einer Mutter mit malaysischen Vorfahren musste sich als Jüngster gegen seine älteren Geschwister behaupten und durchsetzen.
Eine Asthmaerkrankung war für ihn ein grosser Rückschlag, der den Traum der Profikarriere beinahe platzen liess. Aufgeben war für ihn nie eine Option. Nick hat an seinem Traum festgehalten, ihn verfolgt und auch erreicht.
Gut möglich, dass er sein (übertriebenes) Selbstvertrauen auch in dieser Zeit aufgebaut hat?
Umso erstaunlicher ist es für mich, dass ein Athlet, der für seinen Traum kämpfen musste, diesen einfach wieder vor die Hunde wirft.
Oder hat er sein Ziel, „Tennisprofi zu werden“, bereits erreicht und gibt sich damit zufrieden?
Bei ihm sind erhebliche Defizite auszumachen:
- mentale Stärke – leider nein
- emotionale Stabilität – leider auch nicht
- Fairplay – das lässt er oft vermissen
- eine gute Emotionskontrolle – auch das nicht
- Motivation – wenn es einmal gut läuft, schon
- Freude am Spiel – auch nur, wenn es gut läuft
- übertriebenes Selbstvertrauen
Läuft es nicht nach seinem Kopf, gibt er auf und benimmt sich wie ein kleines Kind.
Was kannst du von Nick lernen?
„Du kannst Nick gut als schlechtes Beispiel nehmen.“
Natürlich mache ich mir mit einer solchen Aussage keine Freunde.
Ein gesundes Selbstvertrauen braucht jeder Athlet. Ohne dieses stehst du auf verlorenem Posten.
- Ein übertriebenes Selbstvertrauen aufgrund von ein paar zufälligen Erfolgserlebnissen macht aus dir noch keinen Champion.
- Denke wie ein Champion und nicht wie ein A… .
Wie du schon letzte Woche mitbekommen hast, brauchst du ein soziales Umfeld, das dir auch einmal den Spiegel vorhält.
- Nimm die Rückmeldungen von deinen Freunden, Trainern und Eltern an, auch wenn sie schmerzhaft sind.
- Sich selber im Spiegel zu betrachten, ist eine der schwierigsten Aufgaben, die es gibt.
Hinterfrage deinen Erfolg und deinen Misserfolg:
- Überlege dir, was zu deinem Erfolg oder Misserfolg geführt hat. Führe ein Tagebuch.
- Wenn du weisst, wie deine Erfolge und Misserfolge zustande gekommen sind, kannst du sie reproduzieren.
Den Umgang mit positiven und negativen Emotionen müssen wir lernen. Das ist die wichtigste Fähigkeit im Selbstmanagement und die wichtigste mentale Fähigkeit für dich. Sie entscheidet in vielen Situationen über Sieg und Niederlage.
- Beobachte dich. In welchen Situationen „brennen die Pferde durch“ und was hat dazu geführt?
- Wenn du es weisst, kannst du etwas dagegen tun und lernen, mit negativen Emotionen umzugehen.
Ich höre immer wieder: „Ich trainiere nur, wenn ich gerade Lust dazu habe.“ Das mache ich heute auch. Im Gegensatz zu einem Top-Athleten spielt es bei mir keine Rolle, wie schnell oder langsam ich bin.
- Verfolge dein Ziel konsequent, trainiere mit Freude und Spass.
- Und wenn du einmal keine Lust hast, dann nimmst du dein Unbewusstes an die Leine und schleppst es zum Training oder zum „Wurst und Brot“-Spiel. Achte darauf, dass diese Momente nicht zu häufig sind.
Wenn du persönlich oder mental nicht weiterkommst, dann arbeite mit einem Mentaltrainer oder einem Sportpsychologen zusammen.
Fazit
Aufgrund seines übertriebenen Selbstvertrauens, seiner narzisstischen Ader und der Unfähigkeit, Unterstützung anzunehmen, wird Nick Kyrgios mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in der Versenkung verschwinden.
Wenn die mentale Stärke nur da ist, wenn es einmal gut läuft, bringt das wenig. Würde er sie trainieren, wie z.B. Roger Federer, und sich persönlich entwickeln … wäre es eine andere Geschichte. 😉
Was, meinst du, wird er einmal seinen Kindern erzählen?
„The winner takes it all“ oder „The loser’s standing small“?
Möchtest du gegen dich selber verlieren oder mental stark wie ein Champion agieren?
Du hast es selber in der Hand.
Entscheidend ist, wer du bist, was du kannst und wie du deine Möglichkeiten nutzt.
Nutze deine Möglichkeiten.
Martin
PS: Ich bin übrigens der Meinung, dass mit mentaler Stärke alles ein wenig einfacher geht.
PPS: Und mit dem Unbewussten im Boot geht es noch besser.