Lerne Misserfolge zu lieben – mit einer einfachen Erkenntnis

Wie gehst du mit einem Misserfolg um?

Flüchtest du vor dem negativen Erlebnis oder grübelst du noch lange über das Warum?

Analysierst du Fehler bis ins Detail und kannst nach einem Wettkampf genau sagen, was wie wo und warum nicht funktioniert hat? Oder gehörst du zu den Athleten, die sich nicht lange hintersinnen und sich sagen: „Easy. Das ist halb so schlimm, das nächste Mal kommt es wieder gut“?

Wie du mit Fehlern umgehst und was du daraus lernst, ist entscheidend für deinen Erfolg als Sportler. Das ist kein Geheimnis.

Welchen Einfluss die Persönlichkeit hat, scheint jedoch den wenigsten bewusst zu sein. Wenn du weißt, was für ein Typ du bist, kannst du das für dich gezielt nutzen! Wenn du das möchtest.

Die Grüblerin

Sabine ist eine sehr detailverliebte Athletin, auf die man sich verlassen kann. Ihre Wettkampfanalysen lassen das Herz jedes Statistikers höher schlagen. Mit ihren präzisen und differenzierten Aussagen bringt sie sogar ihren Trainer zum Staunen. Dabei verliert sie gerne einmal das Gesamtbild aus den Augen und versteift sich auf unbedeutende Kleinigkeiten. Sie ist auf das einzelne Objekt fokussiert, wie eine Kamera, die nur ein Bild im Sucher hat. Dabei geht die restliche Umgebung verloren.

„Er war ein solcher aufmerksamer Grübler, ein Sandkorn sah er immer eher als ein Haus.“  – Georg Christoph Lichtenberg

Eine Kleinigkeit reicht manchmal aus, dass sie aus dem Konzept gebracht wird. Wenn beispielsweise in der Wechselzone nicht alles rund läuft oder der Zeitplan kurzfristig angepasst wird. Über einen Fehler im Wettkampf kann sie sich tierisch aufregen und schafft es dann (fast) nicht mehr, sich aus ihrer negativen Stimmung zu lösen. Dass der Wettkampf damit für sie gelaufen ist, muss ich dir nicht erklären.

Bei den Teamkolleginnen ist sie als Miesmacher und bissige Zicke verschrien. Andauernd nörgelt sie an irgendetwas herum. Kein Wunder, dass ihr die Teamkolleginnen aus dem Weg gehen. Mit sich selbst und ihren Leistungen zeigt sie sich selten zufrieden. Dies und jenes hätte sie noch besser machen können. Manchmal hört sie auch das Gras wachsen.

Sie fokussiert sich vorwiegend auf ihre Fehler und was alles noch verbessert werden könnte. Es passiert oft, dass sie nicht aus ihren Fehlern lernen kann, weil sie ihre negative Stimmung nicht herunterregulieren kann und ihre Erfahrungen nicht in die Erfahrungsbibliothek ihres Selbsts integriert.

Sie ärgert sich selber, dass sie durch ihre überkritische Haltung immer wieder in eine Abwärtsspirale kommt. Eigentlich möchte sie auch ihre Teamkolleginnen nicht immer kritisieren, doch es kommt manchmal einfach über sie.

Gerne wäre sie cool wie ihr Kollege Luca aus der Sportklasse. Für den Mountainbiker scheint nichts ein Problem zu sein. Alles ist easy. Sogar wenn es ihn im Rennen nach einem Fahrfehler so richtig heftig abtischt, setzt er sich einfach wieder auf sein Bike und kann den Wettkampf doch noch gewinnen. Für Sabine wäre das undenkbar.

Sie wünscht sich, auch einmal über einen Fehler hinwegsehen zu können. Wenn sie besser aus ihren Fehlern lernen könnte und Grautöne erkennen, wäre das riesig.

Der Coole

Luca ist ein sehr selbstbewusster Athlet, der sich durch nichts aus der Ruhe bringen lässt. Für sein jugendliches Alter fühlt er sich recht sicher, d.h. er vertraut auch in schwierigen Situationen auf seine Erfahrung.

Es ist immer wieder faszinierend, mit welcher stoischen Ruhe er seinen Alltag meistert. Im Team und in der Schule ist er der Fels in der Brandung. Mit seiner Gelassenheit gibt er den anderen Sicherheit und stärkt ihnen den Rücken. Manchmal kann seine Sorglosigkeit aber auch nervig sein!

Für Aussenstehende macht es den Eindruck, als hätte Luca für alles die passende Lösung. Gibt es keine Lösung, sagt er: „Warum machst du dir soviel Stress? Reg dich doch nicht auf, es ändert sowieso nichts an der Situation.“

Coolness kannst du dir nicht kaufen. Cool bist du dann, wenn du ganz du selbst bist. Aber versuch ja nicht, cool zu sein – das ist extrem uncool. – Will Smith

Luca passiert es ab und an, dass er Situationen falsch einschätzt und Gefahren nicht erkennt. Bei schwierigen Streckenverhältnissen und Downhills hat er sich schon mehr als einmal überschätzt. Das ging für ihn schmerzlich aus. Bisher kam er immer mit einem blauen Auge davon. Seither machen ihn seine Teamkollegen auf die Gefahrenstellen aufmerksam.

Seiner Schulkollegin Sabine könnte das nicht passieren. Sie würde jeden Zentimeter vorher vermessen und dann die perfekte Linie wählen. Wenn sie bis zum Wettkampf fertig wird. 😉

Luca wäre nach seinen schmerzlichen Erfahrungen gerne ein wenig risikobewusster. Dazu hätte er gerne situativ den Blick fürs Detail und die analytischen Fähigkeiten von Sabine. Er möchte sich auch gerne aktiv mit seinen Fehlern und Misserfolgen auseinandersetzen. Bisher hat er diese einfach abgehakt und ging weiter im Text. Im Wettkampf zahlte sich das zu 100 % aus. Nur lernt er manchmal zu wenig aus seinen Fehlern.

Die richtige Strategie zur richtigen Zeit

Luca hat die perfekte Strategie für den Umgang mit Fehlern und Misserfolg im Wettkampf. Ein Fahrfehler, ein Defekt oder ein Sturz bringt ihn nicht aus der Fassung. Er hakt das Ereignis ab und hält sich nicht damit auf. Dadurch bleibt er handlungsfähig. Sein Fokus gilt dem, was jetzt zu tun ist.

Das Problem, das er selber beschreibt, ist: Er setzt sich zu wenig mit den Misserfolgen auseinander.

Sabine lässt sich schon durch kleine Ereignisse aus dem Konzept bringen und beginnt gleich noch während dem Wettkampf mit der Analyse. Sie studiert noch dem Fehler hinterher und überlegt sich, wie das passieren konnte. Dadurch fällt sie einerseits in eine negative Stimmung und andererseits verlagert sich ihr Fokus in die Vergangenheit. Im Wettkampf musst du jedoch mit deinem Kopf und Körper am gleichen Ort sein – im Hier und Jetzt. Nur das garantiert dir, dass du dein volles Leistungspotenzial abrufen kannst.

Sie möchte sich aus ihrer Problemhypnose lösen und sich im Wettkampf auf das fokussieren, was jetzt zu tun ist.

Abhaken und integrieren

Die beiden „Extremstrategien“ von Sabine und Luca sind nur bedingt hilfreich.

Beiden fällt es schwer, aus ihren Fehlern die richtigen Lehren zu ziehen. Luca „flüchtet“ vor dem Misserfolg und setzt sich zu wenig damit auseinander. Sabine versinkt in der Problemhypnose und kann die gemachte Erfahrung darum nicht in ihre Erfahrungsbibliothek integrieren.

Ein Misserfolg ist auch die Chance, es beim nächsten Mal besser zu machen. – Henry Ford

Wie Erfahrungen in deinem Gehirn gespeichert werden, habe ich hier beschrieben.

Wettkampf

Im Wettkampf solltest du Fehler und Misserfolge sofort abhaken, damit du handlungsfähig bleibst. Hinterher ist es jedoch wichtig, dass du dich mit dem Misserfolg und dem Fehler auseinandersetzt und die damit verbundenen negativen Emotionen aushältst. Dadurch konfrontierst du dich mit dir selbst und wirst sensibler für Warnzeichen. Das ist das Entwicklungsfeld von Luca.

Im Wettkampf darfst du nach einem Fehler oder Misserfolg cool bleiben. Negative Emotionen haben im Wettkampf keinen Platz und sollten möglichst schnell heruntereguliert werden, damit du dich selbst beruhigen kannst. Das ist das Lernfeld von Sabine.

Was negative Emotionen im Spiel/Wettkampf für einen Effekt haben, kannst du bei grossen Fussballturnieren – wie der aktuell stattfindenden EM – gut feststellen. Sie lassen die Penaltyschützen zittern und können eine ganze Mannschaft ins Verderben stürzen.

Erst hinterher analysierst du den Wettkampf, damit du deine Lehren daraus ziehen kannst. Verabschiede dich nach der Analyse von deiner grüblerischen Stimmung und integriere das Gelernte in deiner Erfahrungsbibliothek.

Dann kann dein Unbewusstes das nächste Mal bereits auf eine Lösung zugreifen, wenn die Situation wieder eintritt.

Training

Im Training darfst du technikverliebt sein und auf die Details bei der Ausführung achten. Hier zählt nur eins: üben, üben, üben … Wiederhole Bewegungsabläufe, bis du sie aus dem Effeff beherrschst.

Dafür trainierst du. Um deine Bewegungs- und Wettkampfabläufe bis zur Perfektion zu optimieren.

Fazit

Gehe im Wettkampf fehlerverzeihend mit dir um. Vertraue deiner Erfahrung und deinem Unbewussten. Es hält die richtigen Lösungen für dich bereit.

Analysiere hinterher deinen Wettkampf, lerne und integriere das Gelernte in deine Erfahrungsbibliothek.

Take chances, make mistakes. That’s how you grow. Pain nourishes your courage. You have to fail in order to practice being brave. – Mary Tyler Moore

Nutze deine Möglichkeiten!

Martin

PS: Ich bin übrigens der Meinung, dass mit dem Unbewussten im Boot alles ein wenig einfacher geht.

 

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