Wie du ein Stehaufmännchen wirst – auch wenn du echt am Boden liegst

Du nervst dich wieder gewaltig. Der Starter hat dich schon wieder benachteiligt und dein Trainer nimmt dich gar nicht ernst. Als Sportler musst du ab und an in den sauren Apfel beissen, Niederlagen akzeptieren, unvorhersehbare Situationen meistern und mit Veränderungen umgehen. Das kann Stress und Krisen verursachen. Du kannst jammern oder …

Krisen sind Bestandteil von jedem Sportlerleben. Ich erlebte Krisen, die mich ziemlich aus der Bahn geworfen haben und an denen ich eine Weile „nagte“, bis ich „das Geschenk“ darin erkannte. Im Nachhinein brachte mich jeder einzelne Rückschlag einen Schritt vorwärts und prägte meine Persönlichkeit.

Die Fähigkeit, dein Stehaufmännchen zu aktivieren, kannst du lernen. Schon mancher Sportler kam nach einer Krise persönlich gestärkt zurück ins Spiel.

Das Stehaufmännchen

Bei den Olympischen Spielen 1988 in Calgary war der Sprintweltmeister im Eisschnelllaufen – Dan Jansen – einer der Favoriten für den Olympiasieg im 500-m- und 1000-m-Rennen. Drei Stunden vor dem 500-m-Start ist seine geliebte Schwester Jane an Leukämie gestorben. Morgens um 6 Uhr konnte er noch kurz mit ihr telefonieren, sie war jedoch nicht mehr in der Lage, ihm zu antworten.

Trotz dieser schwierigen Umstände und seiner Trauer entschied sich Dan für einen Start, schliesslich hatte er ihr gesagt: „Ich werde für dich gewinnen!“. Er hat sich stark genug gefühlt. Doch schon in der ersten Kurve war sein Traum vom Sieg ausgeträumt. Er ist gestürzt … Dass er den Tod seiner Schwester Jane nicht einfach so wegstecken konnte, ist gut verständlich. Ein paar Tage später im 1000-m-Rennen erging es ihm nicht viel besser. In der letzten Runde ist er erneut gestürzt – ein Drama!

Sein Versprechen, für seine verstorbene Schwester Jane zu gewinnen, konnte er (noch) nicht einlösen. Vielleicht gab ihm dieses Versprechen die Kraft, weiterzumachen?

Rund sechs Jahre später im Dezember 1993, drei Monate vor den Olympischen Spielen, ist Dan Jansen über 500 m einen phantastischen Weltrekord gelaufen. Er hat als erster Sprinter die 36er-Marke durchbrochen.

Als Top-Favorit reiste er nach Lillehammer. Olympisches Gold lag für ihn bereit.
Doch manchmal kommt es anders, als man denkt.

Ich kann mich noch sehr gut an die Olympischen Spiele 1994 in Lillehammer erinnern. Es waren meine ersten und die vierten und letzten von US-Top-Sprinter Dan Jansen.

Als Favorit versagte er im 500-m-Lauf – wie schon in Albertville 1992 – und verpasste sogar eine Medaille. Für ihn war es seine bitterste sportliche Niederlage und er hätte beinahe alles hingeschmissen … doch er raffte sich – auch mit der Unterstützung von seinem Trainer und seiner Familie – in den vier Tagen bis zu seinem letzten Olympischen Wettkampf, den 1000 m, wieder auf.

Die Atmosphäre im Vikingschiff (Eishalle) war ausgezeichnet und die Norweger durch die Goldmedaillen von Johann Olav Koss in Partystimmung.

Doch am 18. Februar 1994 schaute die ganze Welt auf Dan Jansen. Es war die letzte Möglichkeit, sein Versprechen einzulösen und sein persönliches Ziel – eine Olympiamedaille – zu erreichen.

Jeder einzelne wünschte Dan Glück, selbst seine härtesten Widersacher sagten ihm: „Ich hoffe, dass du heute gewinnst!“ Alle drückten die Daumen für Dan. So etwas habe ich noch nie erlebt!

Es lag viel Spannung in der Luft, als er im 4. von 22. Paaren startete. Mir stockte der Atem, als die Hand in der Kurve auf den Boden ging … Doch es ging gut. Im Ziel der gewohnte Blick von Dan auf die Anzeigetafel, dann die grosse Befreiung, den Kopf nach hinten geworfen, die Arme in die Höhe und das Lachen auf dem Gesicht – „New World Record“. Die Zeit wurde von den nachfolgenden Athleten nicht mehr unterboten.

Dan hatte es geschafft – er wurde mit Weltrekord Olympiasieger!

Nach der Siegerehrung ist er die übliche Ehrenrunde gelaufen. Es war herzzerreissend, als er seine kleine Tochter Jane auf die Ehrenrunde mitgenommen hat. Der Tod seiner Schwester Jane war der Beginn der Dan-Jansen-Story.

Was kannst du daraus lernen?

Dan Jansens Schicksalsschlag ist natürlich ein extremes Beispiel für eine Krise.

Seine Geschichte zeigt jedoch sehr gut, welche Faktoren entscheidend sind, damit du persönliche und sportliche Krisen meistern kannst.

Was im Endeffekt dazu führte, dass Dan seinen Weg so beharrlich ging, könnten wir höchstens spekulieren. Seine Stehaufmännchen-Fähigkeiten haben ihm dabei aber sicher geholfen.

Die Widerstandsfähigkeit eines „Stehaufmännchens“ gibt dir die Möglichkeit, Schwierigkeiten und Krisen zu meistern. Selbst solche, die im Moment ausweglos erscheinen.

Es gibt ein paar entscheidende Faktoren, welche ein „Stehaufmänchen“ auszeichnen.

Stehaufmännchen-Faktoren

Stehaufmännchen …

  •  … akzeptieren die Situation, wie sie ist, und leugnen ihre Gefühle nicht
  •  … sind auch in Krisen optimistisch und glauben, dass es sich zum Positiven wenden kann
  •  … glauben daran, dass sie selber etwas an ihrer Situation verändern können
  •  … übernehmen Verantwortung für sich und ihre Handlungen
  •  … suchen nach Lösungen und Möglichkeiten
  •  … nehmen Hilfe von aussen an und sie haben Freunde und Familie, die sie in Krisen unterstützen

Stehaufmännchen-Training

Deine Stehaufmännchen-Fähigkeiten und deine Widerstandskraft kannst du trainieren.

Natürlich musst du nicht gleich mit den grössten Herausforderungen beginnen. Beginne mit einfachen Situationen, die du bewältigen kannst. Jede erfolgreich bewältigte Situation wird dich persönlich stärken.

Notiere eine Situation, die für dich schlecht gelaufen ist, auf einem Blatt Papier oder in deinem (Trainings-)Tagebuch. Nimm eine Situation, bei der du frustriert, ärgerlich, traurig oder „handlungsunfähig“ geworden bist und die von einem negativen somatischen Marker (diffuses Körpergefühl) begleitet wurde. Wie beispielweise …

  • eine peinliche Niederlage
  • Staffelstab bei der Ablösung verloren
  • „Bitchfight“ mit einer Teamkollegin
  • im Training „blöd“ verletzt
  • Ärger über die Wetterbedingungen

So lernen Stehaufmännchen

Wenn du für dich eine passende Situation gefunden hast, kannst du jetzt bildlich gesprochen den Kopfstand machen und andersrum denken.

Was kannst du aus dieser Situation lernen und was ist das Geschenk?

Ich weiss, das ist nicht ganz ohne. Nimm dir dafür genügend Zeit, auch wenn dir nicht sofort etwas einfällt. Überlege dir: Wie würdest du einen Teamkollegen oder ein Freund ermutigen, der in der gleichen Situation steckt wie du?

  • Das Geschenk in der Situation mit der peinlichen Niederlage: Ich werde zukünftig alle meine Gegner ernst nehmen und sie nicht mehr unterschätzen.
  • Das Geschenk in der Situation mit dem Stabverlust ist: Ich weiss, dass ich mich auf das Team verlassen kann, auch wenn ich „Scheisse“ gebaut habe. Und wir müssen die Stabübergabe noch besser trainieren.
  • Das Geschenk in der Situation „Bitchfight“ mit Teamkollegin: Meine Energie setze ich besser 100 % für das Training ein als für Grabenkämpfe. Im Training können wir voneinander profitieren, wenn wir uns nicht „bekämpfen“.
  • Das Geschenk bei „Im Training ‚blöd‘ verletzt“: Ich kann ein wenig für die Schule nacharbeiten, habe mehr Zeit für meine Freunde und kann mich in Ruhe auf die Meisterschaft vorbereiten.
  • Das Geschenk in der Situation „Übers Wetter geärgert“: Das Wetter kann ich nicht ändern. Gehe ich mit einer positiven Einstellung zum Wetter in den Wettkampf, habe ich mehr Energie. Der Vorteil ist dann auf meiner Seite, weil alle anderen übers Wetter jammern.

Bei dieser Übung geht es nicht darum, dass du etwas schönredest oder verniedlichst. Es geht vielmehr darum, dass du lernst, aufkommenden „Stress“ nicht zu nahe an dich ranzulassen. Dadurch wirst du widerstandsfähiger uns es wird dir leichter fallen, nach „Krisen“ wieder aufzustehen.

Akzeptieren, aufstehen, Brust raus, etwas Gutes in der Situation finden und weitergehen.

Fazit – Aus jeder Zitrone kann man Limonade machen!

Wenn es auch nicht immer gleich auf Anhieb klappt … Du findest garantiert immer etwas Gutes!

Aus jeder Zitrone kannst du Limonade machen!

Dabei geht es nicht um die perfekte Lösung. Wichtig ist, dass du regelmässig trainierst und deinen Fokus wieder auf das Positive, die Lösung und deine Möglichkeiten richtest. Und was du daraus lernen kannst.

Wenn du Schwierigkeiten mit der „Kopfstand-Übung“ hast und Unterstützung brauchst, schreibe mir einen Kommentar – ich unterstütze dich gerne.

Nutze deine Möglichkeiten!

Martin

PS: Ich bin übrigens der Meinung, dass jeder seinen eigenen Weg gehen sollte.

PPS: Und mit dem Unbewussten im Boot geht alles ein wenig einfacher.

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