Warum positiv denken alleine nicht reicht

„Du musst nur positiv denken und fest daran glauben, dass sich deine Träume erfüllen.“ Dieses Dogma hält sich hartnäckig bei Athleten und in der Gesellschaft.

Überraschend ist das nicht. Einfach positiv denken und der Rest geschieht von alleine: Nicht wenige lassen für diese Illusion viel Geld bei Motivationsgurus (in Turnhallen).

Ich bin schon einigen Athleten begegnet, die krampfhaft an diesem Glauben festhalten. Mit mässigem Erfolg.

„If you can dream it, you can do it.“

Dieses Zitat von Walt Disney, das mir persönlich gut gefällt, sollten wir deshalb ein wenig relativieren und ins richtige Licht rücken.

Träume betäuben

Jetzt darfst du mit all deinen Sinnen träumen. 🙂

Stell dir vor, du stehst bei einem grossen Wettkampf zuoberst auf dem Podest. Die Zuschauer jubeln dir zu und dein Smartphone läuft heiss wegen all der Glückwunschmeldungen. Du geniesst deine Leistung und die Anerkennung, die du bekommst, in vollen Zügen.

Male dir ein paar Minuten aus, wie sich das anfühlt, wenn du dieses Ziel erreicht hast, und was du dabei alles Positives erleben wirst. Schwelge ein wenig in deinen Gedanken.

Bemerkst du, was jetzt passiert?

Du entspannst dich.

Um ein Ziel zu erreichen, musst du jedoch motiviert und energetisiert sein, damit du aktiv bleibst.

Träume alleine geben dir keine Energie. Im Gegenteil. Sie können dich betäuben!

Träume sind Schäume!

Ich werde dir gleich eine Technik beibringen, wie du einen Traum erfolgreich umsetzen kannst.

Doch zuerst …

Zukunftsphantasie versus Erwartung

Kennst du den Unterschied zwischen einer Zukunftsphantasie und einer Erwartung?

Eine Erwartung ist ein Ergebnis für ein Ereignis, das in der Zukunft liegt. Sie entsteht aus persönlichen Erfahrungen aus der Vergangenheit. Stell dir vor, du bist vor zwei Wochen bei schlechten äusseren Bedingungen knapp an deiner Bestzeit vorbeigerauscht. Heute stehst du wieder am Start und findest perfekte Bedingungen vor. Du wirst erwarten, dass du heute deine Bestzeit knackst.

Erwartungen basieren auf gemachten Erfahrungen und deiner persönlichen Leistungsfähigkeit.

Eine Zukunftsphantasie ist ein Gedanke oder eine Vorstellung über ein zukünftiges Ereignis, welches vor deinem inneren Auge entsteht. Unabhängig davon, ob das realistisch ist und zu deiner persönlichen Leistungsfähigkeit passt.

Du kannst problemlos darüber phantasieren, wie du beispielsweise Daniela Ryf beim nächsten Ironman Hawaii in Grund und Boden fährst und den Erfolg und die damit verbundenen Annehmlichkeiten voll auskostest. Selbst wenn du noch nie einen Ironman bestritten hast.

Positives Denken und Motivation

Ob du eine positive Erwartung oder eine positive Phantasie hast, wirkt sich entscheidend auf deine Motivation aus.

Wenn du deine Bestzeit bei widrigen Bedingungen knapp verfehlt hast und die fast perfekten Bedingungen beim heutigen Wettkampf die Erfolgserwartung wecken, dass deine Anstrengung mit einer Bestzeit belohnt werden kann … wirst du mit einer hohen Wahrscheinlichkeit sehr motiviert am Start stehen und alles geben, damit du dein Ziel erreichst.

Wie wäre das bei der Vorstellung vom Sieg gegen Daniela Ryf? In deiner Phantasie hast du sie schon niedergerungen und den Erfolg voll ausgekostet. Ohne Bezug zur Realität. Deshalb gibt es für dich in dieser Situation keine Notwendigkeit, Handlungsenergie und Motivation für die Verwirklichung dieses Erfolgs aufzuwenden und mögliche Hindernisse auf dem Weg dahin zu überwinden.

Die Psychologin Gabriele Oettingen hat den Effekt positiver Erwartungen und Zukunftsphantasien in diversen Studien untersucht. Dabei kam sie zu den folgenden Schlüssen.

In Form von Erfolgserwartungen wirkt sich positives (Zukunfts-)Denken positiv auf deine Anstrengung (Motivation) und deine Leistung aus. Im Gegensatz dazu ist positives Denken in Form von Zukunftsphantasien kontraproduktiv.

Die Frage ist also nicht: „Darf ich überhaupt vom Erfolg träumen?“, sondern: „Wie muss ich vom Erfolg träumen?“

Richtig träumen mit Mentalem Kontrastieren

Träume sind natürlich nichts Schlechtes. Entscheidend ist, dass du aus deinen Träumen genügend Energie und Motivation tankst (und das Unbewusste im Boot hast).

Das Konzept des Mentalen Kontrastierens von Gabriele Oettingen folgt dabei einer einfachen Grundidee.

Zu einer positiven Zukunftsphantasie (Wunsch, Ziel) denkst du dir das Hindernis dazu. Dadurch wechselst du mental zwischen der Phantasie und dem Hindernis hin und her. Daher der Begriff Mentales Kontrastieren.

Der Clou dabei: Durch die Auseinandersetzung mit den Hindernissen schaffst du Lösungen, wie du diese überwinden und aus dem Weg räumen kannst. Bei reinen Träumereien werden Hindernisse und Lösungen nicht berücksichtigt, was wiederum die Umsetzung gefährdet.

Natürlich hat auch das Mentale Kontrastieren seine Grenzen.

Auch wenn dir Motivationsgurus einreden „Du kannst alles erreichen, wenn du es nur willst“, muss ich dich enttäuschen. Das ist einfach nur Schwachsinn.

Mentales Kontrastieren funktioniert nur bei Zielen und Wünschen, die realistisch sind. Es macht also wenig Sinn, wenn du dir illusorische „Du kannst alles erreichen, wenn du es nur willst“-Ziele steckst. Gemäss Oettingen funktionieren diese positiven Energie- und Motivations-Effekte des Mentalen Kontrastierens nur dann, wenn du deine Ziele für realistisch und erreichbar hältst.

Wenn du das liest, dann lernst du etwas

Gabriele Oettingen hat sich gefragt, wie sie diese Erkenntnisse in die Praxis umsetzen kann. Denn dafür fehlte ihr noch ein Plan.

Die Lösung fand sie in den Wenn-dann-Plänen, die ihr Ehemann, der Motivationspsychologe Peter M. Gollwitzer, entwickelt hat.

Sie kombinierte das Mentale Kontrastieren und die Wenn-dann-Pläne. Wenn-dann-Pläne sind sogenannte Ausführungsintentionen. Auch deren Prinzip ist sehr einfach und einleuchtend. Du definierst bereits im Voraus, wie du auf ein auftretendes Hindernis reagieren wirst. Wenn x eintrifft, dann mache ich y. Dadurch hast du bereits eine Handlungsoption, wenn das Ereignis eintritt.

In 4 Schritten meinen Wunsch verwirklichen

1. Mein Wunsch (Ziel, Traum)

Im ersten Schritt definierst du deinen sportlichen Wunsch. Frage dich selbst: „Was ist mein sehnlichster sportlicher Wunsch? Was möchte ich wirklich?“

2. Mein Ergebnis (beste Hoffnung)

Male dir in Gedanken aus, was das Beste und Schönste ist, das du mit der Erfüllung dieses Wunsches verbindest. Nutze deine Phantasie und stelle dir das mit allen Sinnen vor.

3. Mein Hindernis

Wünsche gehen nicht immer in Erfüllung. Überlege dir, welches zentrale Hindernis (Angst, eine frühere Erfahrung etc.) dich an der Umsetzung hindern kann. Mit was stehst du dir im Weg? Male dir in Gedanken aus, was du alles mit diesem Hindernis verbindest.

4. Mein Plan

Jetzt, wo du dein zentrales Hindernis kennst, machst du einen Wenn-dann-Plan, damit du dein Hindernis überwinden oder umgehen kannst und deinen Wunsch in die Tat umsetzen. Je präziser du den Plan formulierst, desto wahrscheinlicher wird dein Erfolg.

Beispiel: Wenn ich nach Hause komme und keine Lust zum Krafttraining habe, dann packe ich meine Sachen und mache mich sofort auf den Weg in den Kraftraum.

Mentales Kontrastieren funktioniert und führt nachweislich zu besseren Leistungen. Weil du mit dieser Methode das Unbewusste im Boot hast: Dass es Hindernisse bei deinen Träumen geben wirst, weisst du eh – also tu nicht so, als wäre es nicht so.  Gabriele Oettingen hat die Wirksamkeit dieser Methode in vielen Studien bewiesen.

Das Mentale Kontrastieren ist eine tolle Methode zur Motivations- und Leistungssteigerung – auch wenn es weder das sportspychologische Training noch andere wissenschaftlich fundierte Methoden zur Motivationssteigerung ersetzt. Es ist jedoch eine perfekte Ergänzung dazu.

Mentales Kontrastieren kann dir auch helfen, dich von unrealistischen Zielen zu verabschieden. Das macht in vielen Fällen mehr Sinn, als krampfhaft an etwas Unrealistischem festzuhalten. Das setzt natürlich voraus, dass du ehrlich mit dir selber bist.

Fazit

Beim Mentalen Kontrastieren malst du dir mit allen Sinnen aus, wie schön es wäre, dein Ziel bereits erreicht zu haben, und was für ein Hindernis dir bei der Umsetzung im Wege stehen kann. Dann pendelst du mental zwischen dem erreichten Ziel und deinem Hindernis. Mit deinem Wenn-dann-Plan schaffst du dir die Möglichkeit, das Hindernis zu überwinden.

Der Motivationstrainer Zig Ziglar hat das sehr treffend formuliert:

Welchen Wunsch möchtest du in die Realität umsetzen?

Nutze deine Möglichkeiten!

Martin

PS: Ich bin übrigens der Meinung, dass mit dem Unbewussten im Boot alles ein wenig einfacher geht.

PPS: Meine Buchempfehlung: „Die Psychologie des Gelinges“* von Gabriele Oettingen.

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