Unbewusste Motive: Warum sie dir nicht egal sein sollten

„Jedes Ding hat drei Seiten, eine Seite, die du siehst, eine Seite, die ich sehe, und eine Seite, die wir beide nicht sehen …“ – Chinesische Weisheit

Weisst du, welche Seite deine Leistung und dein Wohlbefinden am meisten beeinflusst? Genau! Die Seite, die wir beide (noch) nicht sehen: deine unbewussten Motive.

Schauen wir uns die drei Seiten mal an …

Die Seite, die du siehst: Das sind deine bewussten Motive, dein Selbstkonzept und die Art und Weise, wie du dich präsentierst: dein Selbstbild.

Die Seite, die ich sehe: Ich sehe, wie du dich präsentierst, wie du dich verhältst und mit welcher Haltung und Einstellung du unterwegs bist. Das gibt mir ein Bild von deinem Selbstkonzept und eine Vermutung von deiner Motivausprägung.

Die Seite, die wir beide nicht sehen: Diese Seite hat den grössten Einfluss auf deine Leistung und dein Wohlbefinden. Denn diese Seite steuert dein Verhalten: deine unbewussten Motive! Sie sind deine wichtigste Motivations- und Kraftquelle!

Doch was genau sind Motive?

Unbewusste Motive (implizite Motive)

Deine Motive (lat: movere = bewegen) brauchen einen Anreiz, damit sie angeregt werden. Das kann ein Bedürfnis sein, das bei dir von innen entsteht, oder eine Umweltsituation.

Unbewusste Motive werden durch „natürliche“ Auslöser wie Bedürfnisse oder bestimmte Situationsmerkmale ausgelöst. Im Kern eines Motivs können ein oder mehrere Bedürfnisse aktiv sein. Wenn du beispielsweise das Bedürfnis nach Nähe zu einer vertrauten Person hast, gehst du auf diese zu. Das Motiv verbindet somit dein Bedürfnis nach Nähe mit einer konkreten Verhaltensweise – auf die vertraute Person zugehen – zu seiner Befriedigung.

Dies geschieht spontan, ohne dass du dir darüber im Klaren bist, warum das so ist. Es läuft unbewusst ab.

Das Motiv verbindet drei Merkmale:

  • deine Bedürfnisse
  • Umweltmerkmale, die gemäss deiner eigenen Erfahrung geeignet sind, dein Bedürfnis zu befriedigen (öffentliche oder private Umgebung, bekannte oder unbekannte Menschen, die Haltung von anderen Personen, ein freundliches Lächeln und vieles mehr)
  • dein eigenes Verhalten, das im gegebenen Kontext dein „akutes“ Bedürfnis befriedigt (zurücklächeln, Gesellschaft suchen, drohen oder sonst etwas Geeignetes tun)

Ein Motiv kann also durch ein Bedürfnis oder eine bestimmte Situation aktiviert werden. Auch eine Situation und ein Bedürfnis können zusammen aktivierend wirken.

Unbewusste Motive sind Erfahrungsnetzwerke, die unterschiedlichste Kombinationen dieser Merkmale sowie dazu passende Verhaltensweisen gespeichert haben und auf dieser Erfahrungsbasis dein Verhalten steuern.

Unbewusste Motive sind zeitlich überdauernde Persönlichkeitsmerkmale, die durch Erfahrung entstehen. Nur unbewusste Motive verleihen deinem Handeln über lange Zeit Kraft und Energie.

Es sind deine ganz persönlichen Kraftquellen! Denn jeder Athlet (und auch jeder Trainer) hat sein individuelles Motivprofil. Wir können deine unbewussten Motive sichtbar machen, wenn du möchtest – dann kannst du dein Training und deine Ziele viel besser auf das abstimmen, was dir wirklich wichtig ist, und so mehr erreichen.

Im Gegensatz dazu sind die bewussten (expliziten) Motive stark mit deinen Erwartungen und bewussten Zielen verbunden. Das Verhalten, das aus diesen Motiven resultiert, ist eher eine kurzfristige Reaktion für spezifische Situationen. Es entspricht deinem Selbstkonzept.

Bewusste und unbewusste Motive sind zwei voneinander unabhängige Motivsysteme, die sich im Idealfall ergänzen.

Hoffnung und Angst als Motivatoren

Hoffnung und Angst sind wichtige Faktoren, wenn eines deiner Motive angeregt wird. Die Angst, ein Ziel zu verfehlen, und der Wunsch, die damit verbundenen negativen Emotionen abzuwenden können dabei genauso viel Energie freisetzen wie die Hoffnung, ein Ziel zu erreichen und mit positiven Emotionen belohnt zu werden.

In manchen Situationen ist Angst jedoch ein schlechter Begleiter und wirkt sich negativ auf dein Ergebnis aus.

Eine beziehungsmotivierte Athletin kommt ins Stadion und sieht eine gute Freundin. Die Hoffnung auf ein gutes Gespräch lässt sie freudig auf diese zugehen. Weil sie Angst hat, den Anschluss an die Gruppe zu verlieren, wird sie alles unternehmen, um bei der Gruppe zu bleiben und das beklemmende Gefühl der Einsamkeit zu vermeiden. Dies führt manchmal zu einem Verhalten (Klammern), das genau das Gegenteil bewirkt.

Die Hoffnung auf ein schönes Training in der Natur lässt das Herz eines freiheitsmotivierten Athleten tanzen. Dies gibt ihm die Kraft, im Training sein Bestes zu geben. Die Angst, in einem Teamtraining eingeengt zu werden, kann dazu führen, dass er sich losreissen will und zum Rebell wird. Das Training wird dann zum Nebenschauplatz.

Machtmotivierte Athleten schöpfen aus dem Vollen, wenn ein Top-Ergebnis die Hoffnung auf einen Statusgewinn weckt. Die Angst, durch eine Niederlage Status zu verlieren, kann sie genauso zu Höchstleistungen motivieren. Dieses Verhalten respektive ein ungesunder Konkurrenzkampf kann sich negativ auf das Team und die Leistung auswirken, weil sich der Fokus auf einen Nebenschauplatz verlagert: den Teamkollegen mit allen Mitteln plattmachen.

Leistungsmotivierte Athleten wachsen über sich hinaus, wenn sie die Hoffnung auf eine persönliche Bestzeit oder ein Top-Ergebnis haben. Dann holen sie das Maximum aus ihren Möglichkeiten hinaus. Die Angst vor einem negativen Wettkampfausgang und den damit verbundenen negativen Emotionen wirkt für sie so lange energetisierend, wie sie eine Chance sehen, das negative Ergebnis abzuwenden.

Wettkampf- und Versagensängste können jedoch zu einer Vermeidungshaltung führen, die alles andere als leistungsfördernd ist. Im Gegenteil!

„Ich darf nicht schon wieder versagen.“

„Wir dürfen keine Tore kassieren.“

„Ich darf nicht schon wieder gegen XY verlieren.“

Athleten, die so denken, haben ihren Wettkampf verloren, bevor er überhaupt begonnen hat.

Wenn bewusstes und unbewusstes Motiv identisch sind

Wenn das bewusste und unbewusste Motiv gleich stark ausgeprägt sind, sprechen die Psychologen von Motivkongruenz.

Um dir das verständlich zu machen, zeige ich dir das am Beispiel „Leistungsmotiv“.

Leistungsmotiv bewusst tief – unbewusst tief

Für Athleten mit schwach ausgeprägtem bewussten und unbewussten Leistungsmotiv gehören Leistungsziele nicht zum Selbstkonzept. Sie messen sich nicht an Gütemassstäben.

Athleten, bei denen dies der Fall ist (auch wenn ich sie bisher nur selten gesehen habe), holen sich ihre Energie für den Sport aus den anderen Motiven. Für ihr Verhalten spielt das Leistungsmotiv keine Rolle.

Leistungsmotiv bewusst hoch – unbewusst hoch

Bei dieser Ausprägung streben Athleten nach hohen Leistungszielen und sie messen sich an einem klaren Gütemassstab (Ziel). Das lässt sie Spass, Neugier und Begeisterung erleben. Das unbewusste Leistungsmotiv wird damit befriedigt. Das Verhalten wird damit optimal auf die Zielerreichung ausgerichtet.

Wenn das bewusste und unbewusste (Leistungs-)Motiv gleich stark ausgeprägt sind, gibt es keine Konflikte.

Anders verhält es sich, wenn das bewusste Motiv und das unbewusste Motiv unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Das kann zu Konflikten führen.

Bewusstes Motiv und unbewusstes Motiv sind unterschiedlich

Leistungsmotiv bewusst hoch – unbewusst tief

Athleten, die so gepolt sind, denken, dass sie hohe Leistungsziele verfolgen müssen. Von dem unbewussten Leistungsmotiv wird jedoch die Energie für die Zielerreichung nicht zur Verfügung gestellt. Das bewusste Selbstkonzept wird nicht unterstützt. Spass macht das nicht! Ziele werden mit grosser Anstrengung und Willenskraft erreicht, ohne dass das Unbewusste im Boot ist. Diese Athleten berichten oft, dass sie sich überwinden und zum Training zwingen müssen.

In diesem Fall kann der Konflikt zwischen dem bewussten und unbewussten Leistungsmotiv zu einer massiven Leistungseinbusse führen und der Spass am Sport verlorengehen.

Leistungsmotiv bewusst tief – unbewusst hoch

Athleten mit einem schwach ausgeprägten bewussten Leistungsmotiv setzen sich keine hohen Ziele. Obwohl das unbewusste Leistungsmotiv genau danach lechzt, wird es nicht befriedigt. Athleten schöpfen ihr Potenzial nicht aus.

Athleten mit einem tiefen bewussten und einem hohen unbewussten Motiv sagen, dass sie das Gefühl haben, nicht ihr volles Potenzial zu nutzen: „Ich habe das Gefühl, ich könnte mehr leisten, weiss aber nicht, wie.“

Bewusste und unbewusste Motive sind unterschiedliche Motivsysteme, die im Idealfall zusammenarbeiten. Dann ergänzen sie sich bestens und sorgen für eine Menge Schub.

Unbewusste Motive sichtbar machen

Weil unbewusste Motive eben unbewusst sind, ist es nicht ganz einfach, ihnen auf die Spur zu kommen. Du kannst nicht selber darüber reflektieren. Deshalb werden diese mit einem projektiven Test erfasst.

Der Sportmotivtest vom Sportwissenschaftler Alexander Berdnikow und dem Psychologen Prof. Julius Kuhl ist derzeit der einzig verfügbare Test, der unbewusste Sportmotive messen kann.

Beim Sportmotivtest schreibst du zu verschiedenen Bildern, die Sportsituationen darstellen, stichwortartig Geschichten. Deine Aussagen können den Motiven nach einem wissenschaftlichen und ausgeklügelten System zugeordnet werden.

Du kannst dir den Sportmotivtest wie einen Leistungstest vorstellen, bei dem eine Standortbestimmung gemacht wird. Nebst deinen Motiven werden auch deine Selbststeuerungsfähigkeiten wie z.B. Selbstmotivation, Umgang mit Misserfolg etc. gemessen.

Anders als beim Leistungstest musst du deine unbewussten Motive nur einmal testen. Denn unbewusste Motive sind zeitlich überdauernde Persönlichkeitsmerkmale. Die Selbststeuerungsfähigkeiten können sich hingegen situativ verändern und durch gezieltes Training verändert werden.

Möchtest du deinen Motivationscode knacken und besser im Training und Wettkampf werden? Mit dem Sportmotivtest enthülle ich, was dich als Athlet wirklich zu Höchstleistungen motiviert.

Fazit

Nur unbewusste Motive verleihen deinem Handeln über lange Zeit Kraft und Energie. Es sind deine ganz persönlichen Kraftquellen, die durch Erfahrung entstanden sind.

Wenn du deine unbewussten Motive kennst und nach diesen handelst, dann ergeben sich für dich neue Möglichkeiten. Weil du das Unbewusste im Boot hast.

Entscheidend ist, wer du bist, was du kannst und wie du deine Möglichkeiten nutzt.

Hattest du auch schon das Gefühl, dass du mehr kannst, als du zeigst?

Nutze deine Möglichkeiten!

Martin

PS: Ich bin übrigens der Meinung, dass jeder seine unbewussten Motive kennen sollte.
PPS: Und mit dem Unbewussten im Boot geht alles ein wenig einfacher. 🙂

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